Das Lied, das mich zu dem Text inspiriert hat, findet ihr hier.
Im
Ascheregen
„Dies
ist kein Abschied, denn ich war nie willkomm'n, will auf und davon
und nie wiederkomm'n.“
Ich
stehe da, Streichholz in der Hand und schaue zurück. Ein letztes
Mal, sage ich mir.
Das
Streichholz zischt, als ich es anreiße, es reicht nach Schwefel und
verbranntem Holz.
Ein
letzter Blick, dann lasse ich es fallen. Es landet auf dem großen
Scheiterhaufen der Lasten, die ich endlich loslassen will, loslassen
muss.
Erst
ein zartes Flämmchen, dann eine große Feuersbrunst, die sich durch
alles frisst, was ich nicht mehr brauche, nicht mehr haben will.
Zuoberst
liegen Selbstzweifel, die ölig schwärzlich qualmen, als sie sich
entzünden und vor sich hin schwelen. Darunter Ablehnung,
schwefelgelbe Flammen, leises Knistern, dann schlagen die Flammen
hoch und fressen sich hinunter zu dem Schokoladenpapier, das ein
letztes Mal silbrig in der Endzeitsonne glänzt, bevor auch diese
Schicht in hellen Flammen auflodert und der beißende Rauch mir in
die Nase kriecht.
Hinter
mir eine verfallene Stadt, zerfressen von falschen Entscheidungen und
Plannugslücken. Die Gebäude wackeln, hier und da fällt ein Stein
auf den Boden längst überholter Tatsachen. In die Flammen, die sich
unaufhaltsam ausbreiten und alles vernichten, was sich ihnen in den
Weg stellt.
Herausgerissene
Seiten aus dem Freundebuch, sich langsam wellende Fotos alter
Identitäten, bunte Blätter mit krakeliger Kinderschrift darauf. Das
Versprechen auf ewige Freundschaft von Menschen, die ich schon ewig
nicht mehr gesehen haben, es brennt.
Die
Beschreibungen von Dingen, die ich mal mochte und jetzt hasse, es
brennt.
Kindliche
Unbeschwertheit, sie brennt.
Die
Flammen, die all das vernichten, sind bunter, als das, was ihnen zum
Opfer fällt, je war. Das verfallene Konstrukt, das ich einst
Identität nannte, gespenstisch erhellt vom letzten Aufbäumen, einer
gigantischen Supernova. Ich stehe daneben und erlaube mir einen
letzten wehmütigen Gedanken, als ich auch den letzten Ballast ins
Feuer werfe. Lautlos verbrennt das dünne Zeitungspapier, auf dem
mein Name und mein Geburtsdatum steht. Ein letztes Aufleuchten, weg.
Langsam
und bedächtig gehe ich durch die Flammen und lasse alles los.
Ich
sehe das letzte Mal auf die Stadt, auf den Ort, wo alles seinen
Anfang nahm.
Ich
lasse das los, was ich bis heute war und spüre, wie die Hitze des
Feuers auch das letzte bisschen davon aus mir herausbrennt. Hitze
durchzuckt mich, dann ist es seltsam kühl. Ruhig, klar. Als würde
mich der Feuersturm um mich herum nicht betreffen. Ich fühle mich
wie ein gluckernder Bergbach inmitten eines Waldbrandes, der nichts
als Zerstörung hinterlässt.
Die
Gebäude um mich herum stürzen ein, sobald ich an ihnen
vorbeigegangen bin. Das Feuer brennt heißer und heißer, doch ich
laufe nicht schneller. Meine Schritte sind bedächtig, ich weiß, was
ich hier tue. Um mich herum steigt beißender Rauch zum Himmel auf,
tiefschwarz und schwefelgelb. Die Hitze lässt die Luft
erwartungsvoll flimmern, letzte Trugbilder leuchten auf, bevor der
Wind sie in den Sonnenuntergang weht. Der Rauch färbt die Silhouette
der Sonne am Horizont tiefrot. Ich habe das freie Feld erreicht, die
Stadt meiner Vergangenheit brennt in meinem Rücken immer heißer,
bis sich alle Hitze auf einen Punkt zu konzentrieren scheint.
Kein
Platz mehr für Schatten der Vergangenheit, kein Platz für alles was
plötzlich nutzlos erscheint.
Ich
gehe weiter, immer weiter und lasse alles zurück.
Und
dann, ein allerletzter Blick.
Eine
Supernova, die alles verschlingt, ein altes Lastschiff, das im Strom
der Gezeiten versinkt.
Und
plötzlich ist alles vorbei, zerstört in Sekunden.
Nach
der gleißend hellen Explosion Dunkelheit, Schwärze, die nur langsam
zu Grau wird. Und um mich herum regnet es Asche, samtweiche,
unschuldige Flocken.
Dort,
wo früher mal eine Stadt gestanden hat, ist nun nichts mehr. Ihre
Überreste verdunkeln die Endzeitsonne, ein beinahe nuklearer Winter.
Aber nur beinahe.
Ich
nehme das kleine bisschen, was mir noch geblieben ist, und wandere
weiter. Mit leichtem Gepäck entlang des Boulevard of Broken Dreams.
Hinter
mir lautlos fallende Asche, die Kälte eines apokalyptischen Ortes,
an dem ich nie wieder zurückkehren werde.
Und
vor mir die rote Sonne, die von einzelnen Aschepartikeln reflektiert
wird, in allen Farben des Regenbogens. Und ich tanze im Ascheregen.
Alles ist leicht, ich beginne fast zu schweben, während längst
Vergangenes in meinem Rücken immer kleiner wird und schließlich
verschwimmt.
„Denn
dies war kein Abschied, denn ich war nie willkomm'n. Bin auf und
davon und werd nicht wiederkomm'n. Kein Lebewohl, will euch nicht
kenn'n. Die Stadt muss brennen!“
Und sie hat gebrannt.
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