Samstag, 9. August 2014

Da kommt was

Da kommt was auf uns zu, was großes, was aufregendes, was monumental momenterschütterndes.

Zukunft.

Wir alle kennen sie und doch ist sie für jeden anders. Wie eine Theaterschauspielerin mit tausend Masken. Für den einen ist sie zuckerwatterosa mit einer leichten Tendenz ins Wolkenguckerblau. Eine Luftschlossfabrik, deren Produktionskapazität ihresgleichen sucht. Für andere ist sie gemacht aus Glas und Stahlträgern, linear, effizient, klar. Trust me, I'm an engineer, sagt sie.
Und doch ist sie im Grunde für uns alle gleich unerwartet, ungekannt und unberechenbar wie die Wurzel aus zwei. Unsere Vorstellungen von ihr irreparabel irrational in irren Parabeln an der späteren Wirklichkeit vorbei.

Unser Kopf in den Wolken, die Füße auf dem Boden verwurzelt und doch bereit, die Wurzeln zu lösen und loszulaufen. Mitten hinein in was immer uns erwarten mag.
Abgewetzte Turnschuhe an den Füßen, das Gesicht im Wind und immer querfeldein. Für den Lebenslaufbalanceakt bleibt später noch genug Zeit.

Wir schauen in leere Kakaotassen und meinen, Skylines unbekannter Städte in ihnen zu erkennen und brennen sofort darauf, loszulaufen und die Städte kennenzulernen.
Die Füße auf dem Boden, unsicher, wohin sie laufen sollen, immer der Nase und dem Wind nach.
Und wenn wir fallen, dann stehen wir wieder auf, klopfen uns den feinen Staub aus den Jeans, dass er in der Sommerluft und dem Rot der aufgehenden Sonne nur so flimmert. Wir streifen alles ab, lassen uns weiter treiben. Und irgendwann, wenn die Turnschuhe löchrig und die Jeans gebleicht sind, dann werden wir irgendwann wissen, dass wir einen Platz erreicht haben, an dem es sich zu bleiben lohnt. Wir werden aus dem Reisestaub Häuser bauen, Wind säen und Sturm ernten, von dem wir entweder weitergetragen werden oder dem wir standhalten. Aber wir wissen, dass wir es selbst getan haben. Trust us, we are engineers.

Und vielleicht, ganz vielleicht, wird aus der gläsern-stählernen Linearzukunft ja ein modernes Kunstwerk in Form eines rosa Zuckerwattebootes und aus dem Wolkenguckerblau ein realistisches Stahlgrau. Wir befinden uns in ständiger Metamorphose, lassen uns nicht in Schubladen stecken und weigern uns, am Geruch des Althergebrachten zu ersticken. Wir wandern aus nach Australien und leben in Symbiose mit Kängurus, bis wir zusätzlich zum Springen auch noch das Fliegen gelernt haben. Wir schlagen uns durch Bambusplantagen, weil man von dieser Pflanze immer noch am besten lernen kann, was Geradlinigkeit bedeutet. Und manchmal, manchmal hängen wir einfach mit Faultieren ab und wären selbst gern eins, weil Prokrastination dann zu unserer Jobbeschreibung gehören würde.

Wir steigen auf Berge und fallen in tiefe Schluchten, geschützt von zuckerwatterosa Luftpolstern und wolkenguckerblauen Luftschlössern, die uns auffangen, wenn wir nicht mehr weiter wissen.
Wir schlagen uns mit bloßen Händen durch undurchdringliches Gestrüpp im Urwald oder im botanischen Garten. Wir rennen mit dem Kopf voran gegen Stahlbeton, obwohl uns jeder sagt, dass es wehtun wird. Aber dann tut es eben weh. Kängurus können auch nicht rückwärts hüpfen, wenn sie vor einer Wand stehen, also warum sollten wir es tun?

Unendliche Chancen, ein riesiger Flur mit tausenden Türen, die uns alle weit offen stehen. Einige sind groß und weit, andere gleichen eher kleinen Luken. Aber in unserer Fantasie stehen uns all diese Türen offen, wir müssen nur hindurchgehen. Dahinter warten Reichtum, Glück, Familie oder genau jenes Studienfach, dass wir uns schon immer erträumt haben. Das Licht, dass aus diesen Türen scheint, sieht wahrscheinlich für jeden anders aus, aber energiesparend ist es mit Sicherheit selten.
Hinter jeder dieser Türen im ganz persönlichen Luftschloss aus der großen Luftschlossfabrik am Rande des Möglichen versteckt sich der ganz individuelle Big Deal für jeden von uns. Wir müssen nur eintreten, nachsehen, ausprobieren und anprobieren, ob uns das Leben hinter der Tür passt. Und wenn es kneift und zwickt, probieren wir es eben hinter der nächsten Tür und wer weiß, vielleicht begegnen wir einem anderen Menschen, dem das, was hinter dieser neuen Tür ist, genauso gut passt?

Und dann ist es plötzlich vorbei damit, sich mit Kängurus, Bambusplantagen und Faultieren zu identifizieren. Dann fangen wir an, im Spiegel uns selbst zu sehen und nicht nur den, der wir gern wären, aber trotz Bambustherapie nicht sein können. Und dann geben wir unserem Spiegelbild die Hand und sagen: „Schön dich kennenzulernen. Lass uns die Welt verändern und nicht uns verbiegen. Lass uns raus gehen und um die Häuser fliegen, wie wir es im Beutel eines Kängurus gelernt haben.“
Und dann gehen wir raus, mit dem Ich, dass wir vorher nie sein wollten und mit Menschen, die wir vorher nie kannten und alles sieht auf einmal anders aus. Zuckerwatterosa, wolkenguckerblau. Unsere Luftschlossfabrik produziert noch. Aber jetzt hat sie ihre Produktion auf Realität umgestellt.

Jahre später werden wir uns in der Stadt umsehen, in die uns der Wind irgendwann einmal geweht hat oder die wir hinter einer der unzähligen Türen gefunden haben und betrachten die stahlgraue Skyline. Und während die Sonne langsam untergeht und alles in mattgoldenes Licht taucht bemerken wir: Das ist die Stadt aus der Kakaotasse von damals.

Niemand von uns weiß, wie die Tür oder die Stadt oder das Leben hinter ihr aussehen wird. Aber eines wissen wir alle:


Da kommt was. Was ganz großes.

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