Da kommt was auf uns zu, was großes, was aufregendes, was monumental momenterschütterndes.
Zukunft.
Wir alle kennen sie und
doch ist sie für jeden anders. Wie eine Theaterschauspielerin mit
tausend Masken. Für den einen ist sie zuckerwatterosa mit einer
leichten Tendenz ins Wolkenguckerblau. Eine Luftschlossfabrik, deren
Produktionskapazität ihresgleichen sucht. Für andere ist sie
gemacht aus Glas und Stahlträgern, linear, effizient, klar. Trust
me, I'm an engineer, sagt sie.
Und doch ist sie im
Grunde für uns alle gleich unerwartet, ungekannt und unberechenbar
wie die Wurzel aus zwei. Unsere Vorstellungen von ihr irreparabel
irrational in irren Parabeln an der späteren Wirklichkeit vorbei.
Unser Kopf in den
Wolken, die Füße auf dem Boden verwurzelt und doch bereit, die
Wurzeln zu lösen und loszulaufen. Mitten hinein in was immer uns
erwarten mag.
Abgewetzte Turnschuhe
an den Füßen, das Gesicht im Wind und immer querfeldein. Für den
Lebenslaufbalanceakt bleibt später noch genug Zeit.
Wir schauen in leere
Kakaotassen und meinen, Skylines unbekannter Städte in ihnen zu
erkennen und brennen sofort darauf, loszulaufen und die Städte
kennenzulernen.
Die Füße auf dem
Boden, unsicher, wohin sie laufen sollen, immer der Nase und dem Wind
nach.
Und wenn wir fallen,
dann stehen wir wieder auf, klopfen uns den feinen Staub aus den
Jeans, dass er in der Sommerluft und dem Rot der aufgehenden Sonne
nur so flimmert. Wir streifen alles ab, lassen uns weiter treiben.
Und irgendwann, wenn die Turnschuhe löchrig und die Jeans gebleicht
sind, dann werden wir irgendwann wissen, dass wir einen Platz
erreicht haben, an dem es sich zu bleiben lohnt. Wir werden aus dem
Reisestaub Häuser bauen, Wind säen und Sturm ernten, von dem wir
entweder weitergetragen werden oder dem wir standhalten. Aber wir
wissen, dass wir es selbst getan haben. Trust us, we are engineers.
Und vielleicht, ganz
vielleicht, wird aus der gläsern-stählernen Linearzukunft ja ein
modernes Kunstwerk in Form eines rosa Zuckerwattebootes und aus dem
Wolkenguckerblau ein realistisches Stahlgrau. Wir befinden uns in
ständiger Metamorphose, lassen uns nicht in Schubladen stecken und
weigern uns, am Geruch des Althergebrachten zu ersticken. Wir wandern
aus nach Australien und leben in Symbiose mit Kängurus, bis wir
zusätzlich zum Springen auch noch das Fliegen gelernt haben. Wir
schlagen uns durch Bambusplantagen, weil man von dieser Pflanze immer
noch am besten lernen kann, was Geradlinigkeit bedeutet. Und
manchmal, manchmal hängen wir einfach mit Faultieren ab und wären
selbst gern eins, weil Prokrastination dann zu unserer
Jobbeschreibung gehören würde.
Wir steigen auf Berge
und fallen in tiefe Schluchten, geschützt von zuckerwatterosa
Luftpolstern und wolkenguckerblauen Luftschlössern, die uns
auffangen, wenn wir nicht mehr weiter wissen.
Wir schlagen uns mit
bloßen Händen durch undurchdringliches Gestrüpp im Urwald oder im
botanischen Garten. Wir rennen mit dem Kopf voran gegen Stahlbeton,
obwohl uns jeder sagt, dass es wehtun wird. Aber dann tut es eben
weh. Kängurus können auch nicht rückwärts hüpfen, wenn sie vor
einer Wand stehen, also warum sollten wir es tun?
Unendliche Chancen, ein
riesiger Flur mit tausenden Türen, die uns alle weit offen stehen.
Einige sind groß und weit, andere gleichen eher kleinen Luken. Aber
in unserer Fantasie stehen uns all diese Türen offen, wir müssen
nur hindurchgehen. Dahinter warten Reichtum, Glück, Familie oder
genau jenes Studienfach, dass wir uns schon immer erträumt haben.
Das Licht, dass aus diesen Türen scheint, sieht wahrscheinlich für
jeden anders aus, aber energiesparend ist es mit Sicherheit selten.
Hinter jeder dieser
Türen im ganz persönlichen Luftschloss aus der großen
Luftschlossfabrik am Rande des Möglichen versteckt sich der ganz
individuelle Big Deal für jeden von uns. Wir müssen nur eintreten,
nachsehen, ausprobieren und anprobieren, ob uns das Leben hinter der
Tür passt. Und wenn es kneift und zwickt, probieren wir es eben
hinter der nächsten Tür und wer weiß, vielleicht begegnen wir
einem anderen Menschen, dem das, was hinter dieser neuen Tür ist,
genauso gut passt?
Und dann ist es
plötzlich vorbei damit, sich mit Kängurus, Bambusplantagen und
Faultieren zu identifizieren. Dann fangen wir an, im Spiegel uns
selbst zu sehen und nicht nur den, der wir gern wären, aber trotz
Bambustherapie nicht sein können. Und dann geben wir unserem
Spiegelbild die Hand und sagen: „Schön dich kennenzulernen. Lass
uns die Welt verändern und nicht uns verbiegen. Lass uns raus gehen
und um die Häuser fliegen, wie wir es im Beutel eines Kängurus
gelernt haben.“
Und dann gehen wir
raus, mit dem Ich, dass wir vorher nie sein wollten und mit Menschen,
die wir vorher nie kannten und alles sieht auf einmal anders aus.
Zuckerwatterosa, wolkenguckerblau. Unsere Luftschlossfabrik
produziert noch. Aber jetzt hat sie ihre Produktion auf Realität
umgestellt.
Jahre später werden
wir uns in der Stadt umsehen, in die uns der Wind irgendwann einmal
geweht hat oder die wir hinter einer der unzähligen Türen gefunden
haben und betrachten die stahlgraue Skyline. Und während die Sonne
langsam untergeht und alles in mattgoldenes Licht taucht bemerken
wir: Das ist die Stadt aus der Kakaotasse von damals.
Niemand von uns weiß,
wie die Tür oder die Stadt oder das Leben hinter ihr aussehen wird.
Aber eines wissen wir alle:
Da kommt was. Was ganz
großes.
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