Ich stehe in einem
Plattenladen in einer Seitengasse der Stadt. Vor dem Laden eine stille Gasse
aus Kopfsteinpflaster und ein Hauch längst vergangener Zeiten. Um
mich herum verströmen unzählige Vinylplatten und ihre leicht
vergilbten Cover einen unverwechselbaren Duft. Ich blättere durch
die Tonträger und fühle mich für einen Moment zurückversetzt in
die wilden Siebziger, kann beinahe die verzerrten und ungebändigten
Klänge des frühen Rock hören und habe fast das vertraute Gefühl
von Staub und Schweiß auf der Haut, das sich auf jedem Festival
unweigerlich einstellt.
Ich stehe schon
mindestens eine halbe Stunde in dem voll gestopften Laden und sehe
mich selbstvergessen um, als der Besitzer des Ladens, ein bärtiger
älterer Herr, mich nach meinen Wünschen fragt.
„B-Seiten“, sage
ich und lächele den Mann an.
In seinem Gesicht zeigt sich ein leichtes Lächeln, so als verstünde er genau, warum ich nach gerade dieser bestimmten Sorte Musik suche. Seine runden Brillengläser funkeln vergnügt, als er mich erwartungsvoll ansieht. So hätte John Lennon ausgesehen, wenn er alt geworden wäre, denke ich mir. Und ehe ich mich bremsen kann, fange ich auch schon an, mich ihm zu erklären:
In seinem Gesicht zeigt sich ein leichtes Lächeln, so als verstünde er genau, warum ich nach gerade dieser bestimmten Sorte Musik suche. Seine runden Brillengläser funkeln vergnügt, als er mich erwartungsvoll ansieht. So hätte John Lennon ausgesehen, wenn er alt geworden wäre, denke ich mir. Und ehe ich mich bremsen kann, fange ich auch schon an, mich ihm zu erklären:
„B-Seiten sind
keine Superhits, kein Glanz, kein Glamour“, fange ich an,“sie
sind einfach da und zeigen ganz andere Seiten einer Band. Das
Traurige, wo alles schön scheint und das Positive und
Experimentelle, wo alles festgefahren und melancholisch ist.
Auf B-Seiten ist
Platz zum Ausprobieren, zum Träumen. Es sind persönliche Songs, die
zuerst gar nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren.
Und manchmal, ja
manchmal sind B-Seiten unangenehm. Sie kratzen, kreischen, sind laut
und unangenehm. Unmelodisch, ungeschliffen, unerpobt.
Aber macht sie das
nicht zu etwas ganz besonderem?“
Ich sehe den alten
Mann an und blicke geradewegs in ein Augenpaar, dass noch vergnügter
funkelt als vorher. Er versteht. Ich bin irgendwie erleichtert und
fahre fort:
„Ist es nicht
schön, den Staub von einer Platte wischen zu müssen, die schon zu
lange im Regal stand; sie erst ausgraben zu müssen, damit der Staub
nicht an der Plattenspielernadel hängenbleibt?
B-Seiten sind
kompliziert, aber wenn man sie besitzt, lassen sie einen häufig
nicht mehr los. Man bleibt hängen an den Songs, an den lange im
Veborgenen belassenen Versionen mancher Welthits. Sie hinterlassen
Spuren, so wie der Staub an der Plattennadel.
Diese Platten sind
nicht dafür gemacht, möglichst viele Wünsche der Fans zu erfüllen,
sie machen ihr eigenes Ding ohne Rücksicht auf Verluste. Und manche
Songs gibt es eben nur in der leicht kratzigen live-Version von einem
Festival hinter dem Ende der Welt.“
Ich bin etwas außer Atem und hole erst einmal tief Luft.
Der alte Mann lacht
nun vergnügt und sein Bart zittert dabei.
„Du hast Recht“,
beginnt er mit bedächtiger Stimme, „B-Seiten sind besonders.
Manchmal mühsam, manchmal schrill und manchmal einfach nur
todtraurig. Von vielen unverstanden, doch von wenigen vergöttert.
Manchmal die dunkle Seite der Macht, verboten, aber interessant.“
Ich lächle John
Lennon zu und er lächelt zurück. er versteht mich.
Dann führt er mich
zu einem Regal, an dem ein altes Schild klebt, auf dem in
verblichener Schrift geschrieben steht:
„Sind wir nicht
alle ein bisschen „B-Seite“.
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