es ist ja bereits eine Weile her, dass ich "Sternschnuppen" geschrieben und gepostet habe, aber jetzt noch einmal die hochdeutsche Übersetzung eines Textes, an dessen Aktualität sich leider immer noch nichts geändert hat. Also: tragt Liebe in die Welt, seid offen für Fremdes und zeigt deutlich, was ihr von politischen Ränkespielen, Machtkämpfen und Konflikte um Glauben und Kultur haltet!
Es
ist die Nacht vom 11. auf dem 12. August irgendwo in Norddeutschland.
Eigentlich
will ich gerade ins Bett gehen, doch dann fällt mir ein, dass es
draußen am Himmel eine Menge Sternschnuppen zu sehen gibt heute
Nacht. Also stelle ich mich in meinem Pyjama ans offene Fenster und
sehe hinaus. Es ist verdammt kalt draußen, fast schon arktisch, auch
wenn es erst August ist. Langsam gewöhnen meine Augen sich an die
Dunkelheit und ich kann immer mehr Sterne erkennen. Erst ein paar,
dann immer mehr. Irgendwann die ganze Milchstraße. Den großen
Wagen, den kleinen Wagen, den Delphin.
Als
die erste Sternschnuppe am Firmament auftaucht wünsche ich mir ohne
großes Nachdenken Glück im Leben für mich und meine Familie.
Bei
der zweiten einen guten Abschluss an der Universität. Erst dann
fällt mir auf, dass es sicher Wichtigeres und Nötigeres gibt, als
mein persönliches bisschen mehr Glück. Ich lebe in einem sicheren
Land, meine Familie und ich sind gesund, wir haben zu essen und ein
Dach über dem Kopf. Bei der dritten Sternschnuppe wünsche ich mir
genug zu essen und ein Dach über dem Kopf für all die, denen sogar
das Wichtigste zum Leben fehlt.
Es
ist die Nacht vom 11. auf den 12. August irgendwo auf einer Insel in
Griechenland.
Ein
junger Mann sitzt an einem kleinen Feuer vor dem Zelt, das er mit
vielen anderen Männern teilen muss und in dem es jedem Abend kalt
ist und zieht. Zu essen hat er nicht viel, aber er will und kann hier
nicht weg. Hat so viel riskiert bei seiner Flucht über das
Mittelmeer, in nichts als einem Schlauchboot. Zwei andere Menschen
haben es nicht überlebt, sie haben nie schwimmen gelernt. Er hat
Glück gehabt. Und doch sitzt er jetzt hier, blickt verzweifelt in
den Himmel und sieht die erste Sternschnuppe. Er wünscht sich, seine
Familie endlich wieder zu sehen oder zumindest zu wissen, ob sie noch
leben drüben in Syrien, wo jeder Tag der letzte sein kann und wo
Bomben und Schießereien zur grausigen Normalität geworden sind. Bei
der zweiten Sternschnuppe wünscht er sich genug zu essen und endlich
einen Ausweg aus dem Zelt mit dem funzligen Feuer davor. Bei der
dritten wünscht er sich Frieden und Liebe für alle Menschen.
Es
ist die Nacht vom 11. auf dem 12. August irgendwo in Sachsen.
Ein
arbeitsloser Mann Mitte 50 torkelt aus der Kneipe nach draußen in
die sternenklare Nacht. Er blickt nach oben und sieht zufällig die
erste Sternschnuppe. Er wünscht sich seine Arbeit zurück, von der
er glaubt, die Ausländer hätten sie ihm weg genommen. Bei der
nächsten Sternschnuppe wünscht er sich ein höheres Wahlergebnis
für die AfD und mehr Liebe von seiner Frau, die ihn links liegen
lässt, seit er arbeitslos ist und jeden Abend betrunken aus der
Kneipe heimkommt. Bei der dritten wünscht er sich Frieden, damit die
Ausländer in ihrer Heimat bleiben.
Es
ist die Nacht vom 11. auf dem 12. August irgendwo in der Türkei.
Ein
Journalist sitzt im Dunkeln in seiner kleinen Kammer und lauscht
ängstlich auf die Geräusche in den Straßen. Zu oft sind in den
letzten Tagen Polizisten durch die Gegend gezogen und viel zu viele
von seinen Kollegen sitzen im Gefängnis, weil sie auf freie
Meinungsäußerung bestanden haben und sich nicht einschüchtern
lassen wollten von einem Mann, der verantwortlich ist für
Großdemonstrationen, die aussehen wie Deutschland 1939. Das macht
ihm Angst, aber er kann nicht anders, als etwas dagegen zu tun.
Wenigsten ein kleines Bisschen. Er sieht es als seine Pflicht, der
Welt zu erzählen, was in diesem Land passiert. Es ist nicht mehr
sein Land, seine Heimat ist ihm fremd geworden. Er starrt aus dem
kleinen Fenster und als er die erste Sternschnuppe sieht, wünscht er
sich Freiheit für sein Land und ein Stück weit für sich selbst. Er
will seinem Beruf wieder nachgehen können, ohne sich zu verstecken.
Bei
der zweiten Sternschnuppe wünscht er sich Gesundheit für seine
Familie, die er schon viel zu lange nicht mehr gesehen hat, aus
Angst, die Regierung würde sie mit einsperren, wenn sie ihn
verhaften sollten.
Bei
der dritten Sternschnuppe wünscht er sich Weltfrieden, damit er
endlich mal etwas anderes zu berichten hat, als dass schon wieder
irgendwo ein Anschlag passiert ist, der Dutzende Menschen mit in den
Tod gerissen hat.
Es
ist die Nacht vom 11. auf den 12. August irgendwo in einem
behelfsmäßigen Krankenhaus in Syrien.
Ein
Arzt nimmt erschöpft seinen Mundschutz ab und lehnt sich mit dem
Rücken an eine noch halbwegs intakte Wand. Neben ihm der leblose
Körper eines Kindes. Er konnte nichts mehr tun. Der kleine Junge und
seine Brüder haben zwischen den Trümmern gespielt, als das Viertel
bombardiert wurde. Seine Brüder haben ihn in das Krankenhaus
gebracht, das diesen Namen eigentlich gar nicht verdient. Zwischen
Klappstühlen und provisorischen Vorhängen hat er um das Leben des
Jungen gekämpft und doch verloren. Wie schon viel zu oft in den
letzten Monaten. Verzweifelt blickt er gen Himmel und sieht die erste
Sternschnuppe. Instinktiv wünscht er sich Sicherheit und Gesundheit
für sich und seine Familie. Bei der zweiten wünscht er sich weniger
Fälle wie diesen in nächster Zeit. Und bei der dritten wünscht er
sich Frieden. Endlich, endlich Frieden.
Es
ist die Nacht vom 11. auf den 12. August.
Ich
schließe das Fenster, denn es ist kalt geworden. Viel zu kalt für
August. Ich gehe ins Bett und denke bei mir: „Die Welt kann nicht
ganz schlecht sein, wenn wir Hoffnung aus Steinen schöpfen, die in
der Atmosphäre verglühen. Trotzdem wäre es höchste Zeit für den
Ausbruch des Ersten Weltfriedens.
Frieden,
endlich Frieden.
Peace
out.
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