Hallo ihr Lieben,
endlich hatte ich wieder Zeit und Muse für einen neuen Text. Auch wenn es im Moment noch nicht so aussieht: Der Frühling macht hoffentlich langsam auf den Weg zu uns in den hohen Norden und was passt da wohl besser, als ein weiterer Text über das Meer?
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen :)
Imagine
(Heimatmeer II)
Du
liegst am Strand, es wird Abend. Die Sonne ist gerade im Begriff, in
einem atemberaubenden Farbenspiel hinter dem Horizont zu versinken.
Frühling liegt schon in der Luft, unter den allgegenwärtigen Duft
nach Meer, Sand und Strandhafer mischt sich ein zaghafter Hauch von
Blütenduft.
Du
atmest tief ein, in dem Duft des Meeres im Frühling liegt Hoffnung,
Zuversicht und süße Sehnsucht nach allem, was das Leben schön und
lebenswert macht. Die sanfte Blütennote ist Vorbote langer
Sommernächte am Lagerfeuer oder in samtener Dunkelheit unter den
Sternen, heißer, träger Hundstage auf einem Handtuch mit Salz auf
der Haut und Sonne im Gesicht. Eine Aussicht auf die im Norden kurze
Zeit von Freiheit, von unbekümmerter Freude, von Sommerregen auf
Asphalt und natürlich vom Meer, das noch greifbarer und
unmittelbarer wird.
Du
schließt die Augen, das letzte Bisschen Wärme des Tages auf den
Lidern. Aus deinen Kopfhörern klingen leise Klaviertöne, die das
sanfte Plätschern des Meeres nicht übertönen, sondern wunderbar
ergänzen.
Am
Firmament glitzern erste Sterne auf und du denkst darüber nach, wie
viele Menschen wohl jetzt gerade auch in den Himmel sehen und ihren
Gedanken nachhängen, so wie du. Ob sie die gleiche sanfte, fließende
Zufriedenheit spüren oder ob sie mit sich und der Welt hadern und
verzweifelt Zweisprache mit Himmel und Meer halten, um ihren Platz in
dieser verrückten, schnelllebigen Welt zu finden. Du denkst darüber
nach, wie viele Menschen schon an dieses Meer gekommen sind, um die
Bogenhaftung nicht zu verlieren und um endlich wieder durchatmen zu
können.
Das
Meer stellt keine Ansprüche, es ist einfach nur da und hört zu.
Man
kann Worte auf die glatte Oberfläche fallen lassen, wo sie
konzentrische Kreise ziehen, oder sie gegen eine Wand aus Gischt und
tosenden Wellen schleudern, wo sie in tausend Teile zerstäubt und
vom Wind fort getragen werden. Sorgen zerreibt das Meer wie Steine zu
immer feinerem Kies und schließlich zu Sand, der von den Gezeiten in
alle Winde zerstreut wird. Dein Herz schlägt ruhig im Takt der
Wellen, du spürst die Gezeiten in deinem Blut, denn an diesem Meer
bist du zuhause. Es begrüßt dich stets wie ein alten, guten Freund,
egal, wie lange du fort warst.
Die
Möwen sind mittlerweile verstummt und nehmen dem Strand auch den
letzten Rest Betriebsamkeit, die sich hier zuverlässig an jedem
Schönwettertag einstellt. Nun ist die Zeit der Nachttiere und der
Nachtschwärmer, wie du einer bist. Du liebst es, das Meer für dich
allein zu haben und es nur mit dem Mond, den Meerestieren und dem
Wind teilen zu müssen. Als du ans Ufer trittst, siehst du im
Mondlicht die ersten Medusen dieses Sommers im flachen Wasser
schweben. Die Strömung hat sie an diesen Strand getragen.
Fröstelnd
kuschelst du dich tiefer in deinen warmen Pullover, um dich vor dem
kühlen Atem des Meeres zu schützen, der dich daran erinnert, dass
der Sommer noch fern ist.
Nachdenklich
schlenderst du am Spülsaum entlang und spürst der unerklärlichen
Vorfreude nach, die dich plötzlich durchrieselt beim Gedanken an
die langen Sommerwochen, die bald da sein werden. Tagsüber wirst du
deinen besten Freund das Meer teilen müssen, doch die lauen
Sommernächte werden dir gehören, bis du im Herbst auch die Tage
zurückerobern kannst. Doch das hat noch Zeit. Vorerst ist es Zeit,
endlich wieder zu leben und das zu tun, was du wirklich tun möchtest.
Es ist Zeit für Freundschaft, für Freude und für Zeit mit den
Menschen, die dir wichtig sind. Alles wird gut sein, denn es geht
immer weiter, denn alles fließt.
Cuncta
fluunt.
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