Montag, 29. August 2016

Sternsnuppen

Ein herzliches Moin Moin aus dem hohen Norden!

Der Platt Poetry Slam, für den ich im vorletzten Post so fleißig Werbung gemacht habe, war ein voller Erfolg. Mit folgendem Text habe ich den Einzug ins Halbfinale klargemacht, musste mich dann aber einem "alten Hasen" im Geschäft geschlagen geben.




Steernsnuppen

Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016 irgendwo in Norddütschland.
Eegentlich wull ik jüst to Bett gahn, avers denn fallt mi in, datt datt buten een Hupen Steernsnuppen to sehen giv hüüt Nach.
Also stell ich mi in mien Pyjama ant opene Fenster und kiek ruut. Dat is bannig kold buten, fast schon arktisch, ok wenn datt erst August ist.
Langsam gewöhnen sik min Oogen ant Düstere buuten und ik kann immer mehr Sterne erkennen. Erst een poor, denn immer mehr, irgendwann de ganze Melkstraat. De grote Wogen, de lütte Wogen, de Delphin.
Als de erste Sternsnupp de Heben langflügg, wünsch ik mi ohne grote Nodenken Glück int Leven för mi und mien Familie. Bi de tweete een gute Abschluss an de Universität. Erst denn fallt mi op, datt datt seker Wichtigeres und Nötigeres giv als mien persönliche beeten mehr Glück. Ik leev in een sekere Land, min Familie und ik sind gesund, wi hepp watt to eeten und een Dak över de Kopp.
Bi de dritte wünsch ik mi Freeden op de Eer und genuch to Eeten und een Dak över de Kopp för alle, de nichtmol datt Wichtigste ton Leven hepp.

Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016 irgendwo op een Insel in Griechenland. Een junge Mann sitt an een lütte Füür in vör datt Zelt, datt he mit veele annere Männer deelen mutt. In de datt jeden Abend kolt ist und tocht. To Eeten hett he nicht veel, avers he will und kann hier nich wech. Hett so veel riskeert bi sien Flucht över datt Mittelmeer, in nix anneres als een Schlauchboot. Twee annere Lüüt hepp datt nicht överleevt. He hett Glück hatt. Und doch sitt he jetzt hier, kick vertwiefelt in‘n Heben und süüt de erste Sternsnupp. He wünscht sik, sien Familie endlich weller to sehen oder tomindest to weeten, op se noch leevt dröben in Syrien, wo jede Dach de letzte ween kann und wo Bomben und Scheeterien to Normalität worrn sind. Bi de tweete Sternsnupp wünscht he sik genuch to eeten und endlich een Utwech ut datt Zelt mit datt funzelige Füür dorvör. Bi de dritte wünscht he sik Freeden und Leev för alle Minschen.
Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016, irgendwo in Sachsen. Een arbeitslose Mann Mitte 50 torkelt ut de Kneipe no buten in de sternenklore Nacht. Hee kick no boben und süht tofällig de erste Sternsnupp. He wünscht sik sien Arbeit torüch, vun de he glövt, de Utländers harrn em de wechnahmen. Bi de nächste Sternsnupp wünscht he sik een höhere Wohlergebnis für de AfD und mehr Leev vun sien Fruu, de emm mit de Moors nicht mehr ankick, sieht he arbeitslos is und jede Avend besopen und stinkend ut de Kneipe kummt. Bi de dritte wünscht he sik Freeden, dormit de Utländers door blieven, wo se to Huus sind.

Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016, irgendwo in de Türkei.
Een Journalist sitt in Düstern in sien lütte Stuuv un luurt ängstlich op de Geräusche in de Straten. To oft sind in de letzten Dooch Polizisten dörch de Gegend trucken und veel to veele vun sien Kollegen sitten int Gefängnis, weil se op frie Meenungsäußerung bestohen hemm und sik nicht inschüchtern laten wullen vun een Mann, de verantwortlich is för Grootdemonstrationen de fast utsehen wie Dütschland 1939. Datt makt em Angst, aber he kann nicht anners, als watt dorgegen to doon. Wenigstens een lütte Beeten. He süht datt als sien Pflicht, de Lütt in de Welt to vertellen, watt in düsse Land passeert. Datt is nicht mehr sien Land, sien Heimat is em fremd worn. He kick ruut ut dat lüttje Fenster und als he de erste Sternsnupp süht, wünscht he sik Frieheit för sien Land und een Stück wiet för sik selber. He will sien Beruf weller nagahen kön, ohne sik to verstecken.
Bi de tweete Sternsnuppe wünscht he sik Gesundheit för sien Familie, de he all lang nicht mehr sehen hett, ut Angst, de Regeerung würde sien Familie mit insperren, wenn se emm to packen kriegen doot.
Bi de dritte Sternsnuppe wünscht he sik Weltfreeden, dormit he endlich mol watt anneres to berichten hett als datt schon wedder irgendwo een Anschlag passeert is, de dutzende Minschen in de Doot redden hett.


Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016, irgendwo in een behelfsmäßige Krankenhuus in Syrien.
Een Doktor nimmt erschöpft sein Mundschutz af und lehnt sich mit de Rüch an een noch halbwegs heele Wand. Neben em de leevlose Körper vun een Kind. He kunn nix mehr doon. De lütte Jung und sien Bröder weern buten to speelen twischen de Trümmer, als datt Viertel bombardeert woor. De beiden Bröder hepp de schwor verletzte Jung in datt Krankenhuus bröcht, datt düsse Nom eegentlich gor nich verdeent. Twischen Klappstöhle und provisorische Vörhänge hett he um datt Leeven vun de lütte Jung kämpft und doch verloren. Wie schon veel to oft in de letzten Monate. He kick vertwiefelt in de Nachthimmel und süht de erste Sternsnupp. Instinktiv wünscht he sik Sicherheit und Gesundheit för sik und sien Familie. Bi de tweete Sternsnuppe wünscht he sik weniger Fälle wie düsse in de nächste Tiet. Und bi de dritte wünscht he sik Freden, endlich Freden.

Datt is de Nacht vun de 11. op de 12. August 2016.
Ik mok datt Fenster weller to, denn datt is kolt worrn. Veel to kolt för August. Ik gah to Bett und denk bi mi: „De Welt kann nicht ganz schlecht ween, wenn wi Hoffnung schöpfen kött ut verglühende Steene in de Atmosphäre. Trotzdem weer datt bannig Tied fört Utbreken vun de erste Weltfreeden.“
Freeden, endlich Freeden.

Peace out!

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