Dienstag, 17. Februar 2015

Alles wird gut?!

Alles wird gut

Alles wird gut, sagt ihr und meint damit das Leben.
Ratet mir, auf meinen Träumen gen Himmel zu schweben,
die anderen sein zu lassen und nur mein Ding durchzuziehen.
Doch dann platzt die Seifenblase und was bleibt, ist Leere.

Ich bin wieder 6 Jahre alt und stehe in der Turnhalle einer Provinzgrundschule.
Der Kasten vor mir, ihr hinter mir. Ihr lacht, seht mich schon jetzt am Boden liegen.
Ich laufe, springe, falle. Ihr lacht lauter. Schüler und Lehrer.
Nochmal, ich muss laufen, springen, fallen.
Werde gefragt, was denn so schwer sei, die anderen Dicken könnten es doch auch.
Ihr lacht. Ich laufe, springe, falle. Gehe. Aber nur in Gedanken.

Und ihr sagt mir alles wird gut.
Schürt in mir die Glut, an mich selbst zu glauben, doch was bleibt, sind Lügen.

Du schaffst das schon, lass dich nicht unterkriegen, die anderen werden schon sehen“, sagt ihr und macht mir Mut.
Ich glaubte euch, bis ich wieder fiel und ihr lachtet.

Und ihr sagt alles wird gut. Die Welt sicher, unsere Werte unangreifbar.
Doch was dann kam, konnte niemand ahnen:

Ich bin wieder 6 Jahre alt und sehe Flugzeuge in Hochhäuser fliegen, ich sehe Menschen sterben und die Welt trauern.
Auf die Frage „Warum?“ gib es keine Antwort.
Plötzlich ist die Welt nicht mehr sicher, der Krieg vor der Haustür, die Fassungslosigkeit groß.
Der Versuch der Erklärung scheitert am Ausmaß des Schreckens.
Was bleibt ist Zeit, zuviel Zeit. Zeit zum Nachdenken, zum Grübeln, zum Verzweifeln, zum Trauern um Menschen, die man nie gekannt hat und denen man sich trotzdem nahe fühlt in diesem einen Moment, in dem die Welt eine Singularität ist. Ein Schmelztiegel aus Schmerz und Wut und Hass und Fassungslosigkeit und Verständnislosigkeit.
Was bleibt, ist Zeit.
Nur Zeit.
Only Time.

Noch immer sagt ihr alles wird gut.
Noch immer schürt ihr in mir die Glut an das Gute im Menschen zu Glauben.
Doch anders als zuvor,
schaut ihr mir bei diesen Worten nicht mehr in die Augen.

Jetzt bin ich zwanzig, und um mich herum schwelt der Hass.
Menschen schießen auf Menschen schießen auf Ideologien schießen auf Religionen schießen auf Pressefreiheit, schießen auf Menschenrechte, schießen auf Kunst, demonstrieren gegen Vielfalt, scheißen auf Gleichheit.
Entfesselte Massen schreien „Wir sind das Volk“ und plötzlich ist Dresden 45 wieder spürbar. Sind Hass und Gewalt so nah wie sie es nie wieder sein sollten.
Sind Politiker machtlos und können nichts anderes tun als im Angedenken der Opfer zu schweigen.
Denn manchmal ist Schweigen das einzig angemessene, wenn Worte zu klein sind, wenn Laute zu schwach sind, wenn Sprache nicht reicht.

Und noch immer sagt ihr, alles wird gut. Die Welt eine bessere, die Waffen verstummt.
Doch in die Augen sehr ihr mir noch immer nicht.

Weil das, was ihr da sagt, halt einfach nicht stimmt.

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