Alles
wird gut
Alles
wird gut, sagt ihr und meint damit das Leben.
Ratet
mir, auf meinen Träumen gen Himmel zu schweben,
die
anderen sein zu lassen und nur mein Ding durchzuziehen.
Ich
bin wieder 6 Jahre alt und stehe in der Turnhalle einer
Provinzgrundschule.
Der
Kasten vor mir, ihr hinter mir. Ihr lacht, seht mich schon jetzt am
Boden liegen.
Ich
laufe, springe, falle. Ihr lacht lauter. Schüler und Lehrer.
Nochmal,
ich muss laufen, springen, fallen.
Werde
gefragt, was denn so schwer sei, die anderen Dicken könnten es doch
auch.
Ihr
lacht. Ich laufe, springe, falle. Gehe. Aber nur in Gedanken.
Und
ihr sagt mir alles wird gut.
Schürt
in mir die Glut, an mich selbst zu glauben, doch was bleibt, sind
Lügen.
„Du
schaffst das schon, lass dich nicht unterkriegen, die anderen werden
schon sehen“, sagt ihr und macht mir Mut.
Ich
glaubte euch, bis ich wieder fiel und ihr lachtet.
Und
ihr sagt alles wird gut. Die Welt sicher, unsere Werte unangreifbar.
Doch
was dann kam, konnte niemand ahnen:
Ich
bin wieder 6 Jahre alt und sehe Flugzeuge in Hochhäuser fliegen, ich
sehe Menschen sterben und die Welt trauern.
Auf
die Frage „Warum?“ gib es keine Antwort.
Plötzlich
ist die Welt nicht mehr sicher, der Krieg vor der Haustür, die
Fassungslosigkeit groß.
Der
Versuch der Erklärung scheitert am Ausmaß des Schreckens.
Was
bleibt ist Zeit, zuviel Zeit. Zeit zum Nachdenken, zum Grübeln, zum
Verzweifeln, zum Trauern um Menschen, die man nie gekannt hat und
denen man sich trotzdem nahe fühlt in diesem einen Moment, in dem
die Welt eine Singularität ist. Ein Schmelztiegel aus Schmerz und
Wut und Hass und Fassungslosigkeit und Verständnislosigkeit.
Was
bleibt, ist Zeit.
Nur
Zeit.
Only
Time.
Noch
immer sagt ihr alles wird gut.
Noch
immer schürt ihr in mir die Glut an das Gute im Menschen zu Glauben.
Doch
anders als zuvor,
schaut
ihr mir bei diesen Worten nicht mehr in die Augen.
Jetzt
bin ich zwanzig, und um mich herum schwelt der Hass.
Menschen
schießen auf Menschen schießen auf Ideologien schießen auf
Religionen schießen auf Pressefreiheit, schießen auf
Menschenrechte, schießen auf Kunst, demonstrieren gegen Vielfalt,
scheißen auf Gleichheit.
Entfesselte
Massen schreien „Wir sind das Volk“ und plötzlich ist Dresden 45
wieder spürbar. Sind Hass und Gewalt so nah wie sie es nie wieder
sein sollten.
Sind
Politiker machtlos und können nichts anderes tun als im Angedenken
der Opfer zu schweigen.
Denn
manchmal ist Schweigen das einzig angemessene, wenn Worte zu klein
sind, wenn Laute zu schwach sind, wenn Sprache nicht reicht.
Und
noch immer sagt ihr, alles wird gut. Die Welt eine bessere, die
Waffen verstummt.
Doch
in die Augen sehr ihr mir noch immer nicht.
Weil
das, was ihr da sagt, halt einfach nicht stimmt.
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