Hallo ihr Lieben,
in meinem Leben hat sich seit dem letzten Eintrag einiges getan und ich möchte euch eine der Ergebnisse nicht vorenthalten. Teil IV wird der letzte Teil der "Heimatmeer"-Serie sein, ab jetzt heißt es "Auf zu neuen Ufern" ;)
Alles Liebe und viel Spaß beim Lesen,
Jacqueline
Heimatmeer
IV – Der Abschied
Ich
stehe an meinem Heimatmeer, das heute aufgewühlt und mit weißen
Schaumkronen bedeckt ist.
Der
Wind bläst mir unablässig mit seiner durchdringenden, schneidenden
Winterkälte ins Gesicht. Doch mir macht das nichts aus, ich trage
Kälte und Wind im Blut. In der einen Hand halte ich ein
zerknittertes cremefarbenes Pergament, auf dem in blauer Tinte Worte
geschrieben stehen, in der anderen Hand eine grüne, von den Wellen
geschliffene Glasscherbe. In meinem Herzen wirbeln tausend Worte
voller Hoffnung und Sehnsucht. Dies wird wahrscheinlich eins der
schwersten Dinge, die ich in meinem Leben je tun musste. Vor meinem
inneren Auge zieht die letzte Zeit vorbei wie ein in Sepia getauchter
Film. Im Zeitraffer blitzen Bilder auf: dein strahlendes Lächeln,
ich in deiner Umarmung, wir beide in der Nacht am Meer, die
Begeisterung in deinen tiefen Augen.
Doch
da sind auch mein tränenverschleierter Blick auf meine leere Küche,
der Nebel, den der Vodka in meinem Kopf hat aufziehen lassen und die
unendliche Schwärze enttäuschter Hoffnung, wieder einmal…
Es
hat lange gedauert, aus den Wellen des schwarzen Meeres wieder
aufzutauchen, trotz der vielen Rettungsringe, die mir zugeworfen
wurden. Denn
20.000 Meilen unter dem schwarzen Meer ist
man allein und muss schwimmen, egal wie schwer das Blei an den Füßen
ist. Und
ich bin geschwommen, bis ich trotz bleischwerer Beine die Oberfläche
erreicht habe. Benommen
vom Tiefenrausch habe ich mich an allem und jedem festgehalten, was
mir vor die durch die Dunkelheit tastenden Finger gekommen ist. Du
warst nicht dabei.
Ich
habe gemerkt, dass ich versucht habe, ein Trugbild festzuhalten, das
bei dem kleinsten Windhauch in Schlieren zerfließt. Schweren Herzens
muss ich diese Fata Morgana loslassen, auch wenn sie im Grunde meines
Herzens eingebrannt ist.
Es
tut weh, verflucht weh, aber das Meer wird meine Wunden heilen, wenn
ich es zulasse. Auch wenn es verdammt schwer ist, Wunden heilen zu
lassen, von denen ich eigentlich nicht will, dass sie heilen. Denn
dann müsste ich weiterleben, weitermachen ohne die Hoffnung, du
würdest mich je so sehen, wie ich dich sehe. Doch ich muss aufhören,
meine Energie in diese Hoffnung fließen zu lassen, wo sie versickert
wie im Burggraben einer Sandburg im Hochsommer. Ich muss endlich
damit anfangen, gut für mich selbst zu sorgen, um
mich nicht plötzlich wieder in schweren Gezeiten im schwarzen Meer
wiederzufinden, wo mich nichts als mein eigener Wille mehr retten
kann.
Eine
einsame Träne tropft auf das zerknitterte Pergament und lässt die
tiefblaue Tinte verlaufen. Langsam, fast schon meditativ zerreiße
ich das Blatt, bis ich nur noch winzige Fetzen in meinen Händen
halte. Ich atme kurz durch und kneife für einen winzigen Moment die
Augen zusammen, während ich von all den enttäuschten Hoffnungen und
unerwiderten Gefühlen übermannt werde, die aus den Papierfetzen
tropfen.
Dann
trete ich entschlossen vor und lasse den Wind meine zerrissenen
Träume mitsamt allen Ballasts Richtung Meer davontragen. Ich breite
die Arme aus und heiße Wind, Wellen, Schmerz und Erleichterung
willkommen und lasse Gischt auf mich regnen. Die Wellen sind in
meinem Blut und ich fühle mich in diesem Moment wie eine mächtige
Gezeitenbändigerin. Mit einem kräftigen Wurf übergebe ich auch die
Glasscherbe den Wellen. Sie blitzt kurz im schwindendem Licht auf und
wird dann vom aufgewühlten Wasser verschluckt. Erschöpft
lasse ich den Arm sinken. Unsere Geschichte, wenn es denn je eine
gab, liegt nun von Neptun wohlbehütet auf dem Meeresgrund neben
unzähligen weiteren zerbrochenen Träumen, die das Meer nach und
nach zu runden Erinnerungskieseln schleifen wird, die ihre scharfen
Kanten verloren haben und an schöne, warme Sommer und sanfte Brisen
erinnern werden statt an klirrend kalte, scharfe Winterstürme.
Wir
beide werden jemand anderen sehr glücklich machen und die Scherbe
wird vielleicht zurück an die Küste gespült und von jemand anderem
gefunden werden.
Ich
drehe mich um, kehre dem Meer den Rücken und lasse unsere Geschichte
an diesem Strand zurück.
Es
schmerzt, doch wenn ich hierher zurückkehre, wird von den
Pergamentschnipseln nicht übrig sein und ich kann eine neue Seite
aufschlagen.
Weil
alles fließt.
Cuncta
fluunt.
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