Samstag, 24. Februar 2018

Heimatmeer IV - Der Abschied

Hallo ihr Lieben,
in meinem Leben hat sich seit dem letzten Eintrag einiges getan und ich möchte euch eine der Ergebnisse nicht vorenthalten. Teil IV wird der letzte Teil der "Heimatmeer"-Serie sein, ab jetzt heißt es "Auf zu neuen Ufern" ;)

Alles Liebe und viel Spaß beim Lesen,

Jacqueline


Heimatmeer IV – Der Abschied
Ich stehe an meinem Heimatmeer, das heute aufgewühlt und mit weißen Schaumkronen bedeckt ist.
Der Wind bläst mir unablässig mit seiner durchdringenden, schneidenden Winterkälte ins Gesicht. Doch mir macht das nichts aus, ich trage Kälte und Wind im Blut. In der einen Hand halte ich ein zerknittertes cremefarbenes Pergament, auf dem in blauer Tinte Worte geschrieben stehen, in der anderen Hand eine grüne, von den Wellen geschliffene Glasscherbe. In meinem Herzen wirbeln tausend Worte voller Hoffnung und Sehnsucht. Dies wird wahrscheinlich eins der schwersten Dinge, die ich in meinem Leben je tun musste. Vor meinem inneren Auge zieht die letzte Zeit vorbei wie ein in Sepia getauchter Film. Im Zeitraffer blitzen Bilder auf: dein strahlendes Lächeln, ich in deiner Umarmung, wir beide in der Nacht am Meer, die Begeisterung in deinen tiefen Augen.
Doch da sind auch mein tränenverschleierter Blick auf meine leere Küche, der Nebel, den der Vodka in meinem Kopf hat aufziehen lassen und die unendliche Schwärze enttäuschter Hoffnung, wieder einmal…
Es hat lange gedauert, aus den Wellen des schwarzen Meeres wieder aufzutauchen, trotz der vielen Rettungsringe, die mir zugeworfen wurden. Denn 20.000 Meilen unter dem schwarzen Meer ist man allein und muss schwimmen, egal wie schwer das Blei an den Füßen ist. Und ich bin geschwommen, bis ich trotz bleischwerer Beine die Oberfläche erreicht habe. Benommen vom Tiefenrausch habe ich mich an allem und jedem festgehalten, was mir vor die durch die Dunkelheit tastenden Finger gekommen ist. Du warst nicht dabei. Ich habe gemerkt, dass ich versucht habe, ein Trugbild festzuhalten, das bei dem kleinsten Windhauch in Schlieren zerfließt. Schweren Herzens muss ich diese Fata Morgana loslassen, auch wenn sie im Grunde meines Herzens eingebrannt ist.
Es tut weh, verflucht weh, aber das Meer wird meine Wunden heilen, wenn ich es zulasse. Auch wenn es verdammt schwer ist, Wunden heilen zu lassen, von denen ich eigentlich nicht will, dass sie heilen. Denn dann müsste ich weiterleben, weitermachen ohne die Hoffnung, du würdest mich je so sehen, wie ich dich sehe. Doch ich muss aufhören, meine Energie in diese Hoffnung fließen zu lassen, wo sie versickert wie im Burggraben einer Sandburg im Hochsommer. Ich muss endlich damit anfangen, gut für mich selbst zu sorgen, um mich nicht plötzlich wieder in schweren Gezeiten im schwarzen Meer wiederzufinden, wo mich nichts als mein eigener Wille mehr retten kann.
Eine einsame Träne tropft auf das zerknitterte Pergament und lässt die tiefblaue Tinte verlaufen. Langsam, fast schon meditativ zerreiße ich das Blatt, bis ich nur noch winzige Fetzen in meinen Händen halte. Ich atme kurz durch und kneife für einen winzigen Moment die Augen zusammen, während ich von all den enttäuschten Hoffnungen und unerwiderten Gefühlen übermannt werde, die aus den Papierfetzen tropfen.
Dann trete ich entschlossen vor und lasse den Wind meine zerrissenen Träume mitsamt allen Ballasts Richtung Meer davontragen. Ich breite die Arme aus und heiße Wind, Wellen, Schmerz und Erleichterung willkommen und lasse Gischt auf mich regnen. Die Wellen sind in meinem Blut und ich fühle mich in diesem Moment wie eine mächtige Gezeitenbändigerin. Mit einem kräftigen Wurf übergebe ich auch die Glasscherbe den Wellen. Sie blitzt kurz im schwindendem Licht auf und wird dann vom aufgewühlten Wasser verschluckt. Erschöpft lasse ich den Arm sinken. Unsere Geschichte, wenn es denn je eine gab, liegt nun von Neptun wohlbehütet auf dem Meeresgrund neben unzähligen weiteren zerbrochenen Träumen, die das Meer nach und nach zu runden Erinnerungskieseln schleifen wird, die ihre scharfen Kanten verloren haben und an schöne, warme Sommer und sanfte Brisen erinnern werden statt an klirrend kalte, scharfe Winterstürme.
Wir beide werden jemand anderen sehr glücklich machen und die Scherbe wird vielleicht zurück an die Küste gespült und von jemand anderem gefunden werden.
Ich drehe mich um, kehre dem Meer den Rücken und lasse unsere Geschichte an diesem Strand zurück.
Es schmerzt, doch wenn ich hierher zurückkehre, wird von den Pergamentschnipseln nicht übrig sein und ich kann eine neue Seite aufschlagen.
Weil alles fließt.
Cuncta fluunt.


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