Montag, 22. Mai 2017

Ich schrei' die Welt an


Hallo Leute,
ich melde mich mal wieder mit neuem Lesestoff!
Der folgende Text ist bei einem Slam-Workshop an der Uni entstanden, den ich vor ein paar Wochen besucht habe. 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen :)



Ich schrei’ die Welt an

Manchmal, an diesen ganz besonderen Tagen, da fahre ich hinaus ans Meer. Bis dorthin, wo das Land aufhört, Land zu sein. Es ist stürmisch an diesen Tagen. Ich stelle mich an den Strand, ganz vorn an die Gezeitenlinie, bis die Wellen fast an meinen Schuhen lecken.
Das Meer ist wild und unruhig, genau wie ich. Tief atme ich die durchsalzene, kalte Luft und die Gischtfetzen ein und sammle mich.
Und dann tue ich das, wozu ich an diesen ganz besonderen Tagen genau hier her komme: Ich schreie die Welt an.

Ich schrei‘ die Welt an und schreie: Sieh hin!
Sieh hin, wo andere wegsehen!
Sieh hin, wo anderen Leid widerfährt!
Sieh hin, wo sonst niemand hinsieht!

Ich schrei‘ die Welt an und schreie: Hilf!
Hilf mit Worten voller Trost, wo es nötig ist!
Hilf mit Taten, wo Worte versagen!
Hilf mit Nähe, wo Distanz und Verfremdung um sich greifen!

Ich schrei‘ die Welt an und schreie: Trau‘ dich!
Trau‘ dich, aus der ewigen Freundschaft plus mehr werden zu lassen!
Trau‘ dich, das Smartphone im Bus mal wegzulegen!
Trau‘ dich, Blicke zu erwidern, in neue Augen einzutauchen!
Trau‘ dich, DU zu sein!



Ich schrei‘ die Welt an und schreie: Wach auf!
Wach auf aus deinem satt gefressenen Dornröschenschlaf!
Wach auf aus längst vergangenen Träumen!
Wach auf aus ewig schulterzuckendem Gleichmut!
Wach auf aus Konsumrausch und Konkurrenzdenken,
aus Rohstoffverknappung und Rohölgier,
aus Meeresverschmutzung und Mindestlohn!
Wach auf aus Korallensterben und Kohleindustrie!

Ich schrei‘ euch alle an und schreie: Wacht auf!
Wacht auf, seht euch um und seht: Ihr seid viele, WIR sind viele!
Lasst uns aufstehen, aufeinander zugehen und wieder mehr Robin Hood in diese Welt voller Trumps und Erdogans und Putins bringen!

Wake up, it‘s time for another revolution!

Das Meer ist still geworden, die Wogen geglättet, der Wind verstummt.
Ich atme aus; lange, gründlich.

Eine kleine vorwitzige Welle schwappt an den Strand und weit hinten am Horizont glitzert silbrig ein schmaler Streifen Hoffnung.

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