Dienstag, 4. November 2014

Neues aus dem Absurditätenkabinett

Elementarteilchenphysik oder auch: Er ist wieder da

Tief im Westen, tief unter der Maggi-Fabrik in Bielefeld wird es Albert Einstein in seinem Sarg zu langweilig. Mit lautem Knacken der alten Nobelpreisträgerknochen erhebt er sich aus der Gruft und stößt auf dem Weg nach draußen fast mit Elvis zusammen, der sich gerade eine Dose Ravioli in der Mikrowelle warm gemacht hat. Unsere verstaubten Helden grüßen sich mit kratziger Stimme, schließlich redet man nicht mehr so viel, sobald man erstmal gestorben ist.
Elvis entschuldigt sich bald, er müsse ins Bad und seine Tolle richten. „Bielefelds Katakomben, Feuchtigkeit, die Frisur sitzt“, murmelt Einstein vor sich hin.
Mit einem kränklichen „Miau“ kommt schließlich Schrödingers Katze um die Ecke geschlichen, verschwindet jedoch zwischendurch immer mal wieder, weil sie sich immer noch nicht fürs Leben oder den Tod entscheiden konnte.
Unser alternder Held füttert sie mit den Resten der mittlerweile erkalteten Ravioli und beginnt einen inneren Diskurs über das thermodynamische Verhalten von Mirkowellenravioli. Er kommt zu dem Schluss, dass sie ihren Zustand relativ schnell von relativ warm zu relativ kalt geändert hat.

Einstein beschließt, dass es Zeit sei für einen kleinen Spaziergang im postapokalyptischen Gasgemisch. Er tritt aus dem Atombunker und blickt in die grelle Endzeitsonne und sieht große empirische Erhebungen inmitten der weiten elektromagnetischen Felder rund um die Fabrik. Mit der Hand befördert er seine Augen in den geometrischen Schattenraum und schützt sie vor den Strahlen der atomar verseuchten Atmosphäre. Nur einen Quantensprung entfernt erscheinen die Trümmer des Teilchenbeschleunigers, der die Welt vor einigen Zeiteinheiten in die Apokalypse stürzte. Die Entstehung eines schwarzen Lochs konnte noch gerade so verhindert werden, obwohl sich einige Mitarbeiter des Projekts auf seltsame Weise dematerialisiert haben. Man vermutet eine gewisse Katze unter den Schuldigen.
Kopfschüttelnd setzt Einstein seinen Spaziergang in Richtung des Feldwegs fort, immer entlang der Feldlinien. Während er sich an den Gasatomen ergötzt, denen jeglicher Modergeruch fehlt, denkt er weiter über die Mikrowelle nach und versucht, die Funktionsweise nur anhand von E=mc² zu entschlüsseln, was ihn schließlich auf die Idee bringt, dass Essen würde umso wärmer, je schwerer es wäre und je schneller man es in der Mikrowelle rotieren ließe.
Beschwingt von dieser Erkenntnis und zu allen Missetaten bereit, kehrt er in den Atombunker zurück, wo Elvis inzwischen Streit mit Schrödingers Katzer angefangen hat, weil sich diese nicht entscheiden kann, ob sie seine Haare gelungen oder missraten findet. Der King of Rock'n Roll versucht, sie mit der leeren Raviolidose zu bewerfen, doch da ist die Katze plötzlich verschwunden und materialisiert sich in der Mikrowelle. Einstein, immer noch berauscht von seiner Erkenntnis zur Masse-Energie-Relation, wundert sich kurz über die Offensichtlichkeit der Ortskomponente in der Schrödingergleichung, sieht dann aber in der Katze ein passables Versuchsobjekt, schließt die Mikrowelle und schaltet sie ein. Bevor Elvis einschreiten kann, ist es schon geschehen: Der Katze ist das Experiment denkbar schlecht bekommen und Elvis fragt, den Physiker, ob er nicht lange genug in den USA gelebt habe, um zu wissen, dass man Katzen nicht in Mikrowellen trocknen darf.
Ich wollte sie aber nicht trocknen“, widerspricht Einstein, „Nur erwärmen...“
Elvis schüttelt den Kopf und meint nur trocken: „Dann bring du jetzt aber bitte dem Schrödinger bei, dass die Katze endlich tot ist und er seine Theorie in die Tonne treten kann.“
Einstein ist ratlos, stimmt jedoch zu.
Und dabei hatte die Katze noch nicht einmal annähernd Lichtgeschwindigkeit...“, brummt er ratlos in seinen Bart und kratzt sich am Kinn.

Nachdem ihm dieses erste Experiment nach der langen Schaffenspause so denkbar missglückt ist, teleportiert er sich kurzerhand dorthin, wo er mit den Grundzügen des Themas vertraut ist: Dem Teilchenbeschleuniger, beziehungsweise dem, was noch davon übrig ist. Innerhalb der nächsten zwei Stunden hat Albert sowohl den 27 km langen Beschleuniger repariert, als auch das Prinzip vollständig durchdrungen, die Protonenstrahlen wieder in Gang gebracht, nebenbei bemerkt das erste Positive an diesem ersten Arbeitstag nach dem Tod, und wartet nun gespannt auf das erste Zusammentreffen der Teilchenstrahlen. Da taucht plötzlich Higgs neben ihm auf und sieht ihn erstaunt an.
Sag Albert, wo hast du bloß diese vortreffliche Anti-Aging Creme her?“
Unser alternder Held stutzt kurz und erklärt dann ganz ernsthaft, er habe seine Haut mit Masken aus Seitenbacher Müsli so vital gehalten. Sein Gegenüber kann mit Seitenbacher nicht anfangen, so konzentriert man sich wieder auf das Geschehen. Higgs berichtet Einstein von seiner Theorie des Higgs-Feldes und des Higgs-Bosons.
Man nennt es auch das Gottesteilchen“, erklärt Higgs mit einer gewissen Arroganz.
Weit oben im Endzeithimmel räuspert sich Morgan Freeman vernehmlich, welch Blasphemie, also wirklich!
Doch Higgs und Einstein sind zu beschäftigt mit der Frage, ob man die Äther Theorie von Einstein mit der des Higgs-Feldes vergleichen könne und überhören das göttliche Grollen.
Während der Diskussion haben beide Physiker natürlich vergessen, auf das Geschehen im Collider zu achten, was ihnen nun zum Verhängnis wird, als sich ein schwarzes Loch zu bilden beginnt. Kurz bevor es alles in seine Gravitation gezogen hat, fällt Einsteins Blick auf den Bildschirm und er erkennt, dass sie es geschafft haben, das zweite Gottesteilchen in der Geschichte zu erzeugen. Er will es Higgs zurufen, doch der ist bereits dem schwarzen Loch zum Opfer gefallen, da er den Fehler gemacht hatte, sich an der spontan wieder aufgetauchten Katze festhalten zu wollen.
Morgan Freemans Stimme klingt von fern und verkündet, er dulde keine anderen Gottesteilchen neben sich.
Einstein verschwindet vorerst im schwarzen Loch, taucht dann aber im Bunker wieder auf und versucht, seine Haare zu bändigen.
Elvis und die Katze sitzen vor der Mikrowelle, essen Ravioli und von fern hört man Morgan Freeman lautstark „Don't stop Believing“ schmettern.

Verstört murmelt Einstein: „Bielefeld, Postapokalypse die Zweite, und die Frisur sitzt.“

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